Luca Keist bestritt gestern sein erstes Match an der Junioren EM in Klosters. Noch vor einer Woche hätte er nicht davon geträumt, an diesem Turnier teilzunehmen.
Es ist angerichtet. Auf der grössten Bühne des europäischen Tennisnachwuchs in Klosters ist alles bereit. Die eindrückliche Bergwelt und der wolkenlose, stahlblaue Himmel sorgen für eine spektakuläre Kulisse. Die Fahnen der teilnehmenden Nationen, die entlang des Center Courts hängen, flattern im Wind. Das elektronische Scoreboard hinter dem grössten Platz der Anlage zeigt die Namen der beiden Protagonisten, die in wenigen Minuten die rote Asche betreten werden. Einer von ihnen ist der Aargauer Luca Keist. Für den 17-jährigen Rotschopf vom Tennisclubs Zofingen ist die Teilnahme an der Heim-Europameisterschaft in Klosters der grösste Auftritt seiner Karriere. Ein Auftritt, mit dem er eigentlich gar nicht gerechnet hatte.
Erst am vergangenen Donnerstagabend hatte er erfahren, dass er den Platz von Raphael Baltensperger erben wird, der wegen einer Verletzung nicht mitmischen kann. Keist liess sich nicht zwei Mal bitten. Da er aber am Sonntagnachmittag noch an einem Juniorenturnier in Deutschland im Einsatz stand, verkomplizierte sich die Anreise. „Das Finale dauerte drei Stunden. Wir hätten beinahe den Flieger verpasst. Die Zeit reichte nicht mal zum Duschen“, sagt Keist lachend. In Klosters ist er kurz vor Mitternacht eingetroffen.
Grosse Fortschritte
So unverhofft die Teilnahme an der Heim-EM für Luca Keist auch kommen mag, verdient ist sie allemal. Der Linkshänder, der in Frenkendorf trainiert und das Sportgynmasium in Liestal besucht, ist in den vergangenen 18 Monaten förmlich explodiert. Zuvor kaum je aufgefallen, gewann er in dieser Zeit zwei Silbermedaillen an nationalen Nachwuchs-Titelkämpfen – zuletzt vor knapp zwei Wochen in der Kategorie U18. Zudem trumpfte er auf der internationalen Juniorentour gross auf und spielte sich innerhalb nicht einmal eines Jahres bis auf Rang 345 in der Juniorenweltrangliste. Am Sonntag gewann er in Deutschland seinen ersten internationalen Juniorentitel.
Und nun folgt der Lohn für die jüngsten Erfolge: der Auftritt auf der ganz grossen Bühne. Gegen den Spanier Bernabe Zapata Miralles, der vor wenigen Tagen seinen ersten Titel bei den Profis bejubeln konnte, startet Keist gleich mit einem Break. Unerschrocken ging er an die Sache heran und sorgte mit seiner erfrischenden und variablen Spielweise immer wieder für Farbtupfer. Ein Stoppball hier, ein clever gespielter Slice da und immer wieder gut platzierte Winkelschläge – Keist unterhielt die Zuschauer auf dem Center Court bestens. Allerdings liess der Youngster auch eine ganze Reihe an Chancen aus und musste so trotz mehrmaligem Breakvorsprung den ersten Satz mit 5:7 abgeben.
Klosters kennt man primär als Wintersport- und Wanderdestination. Dennoch ist die Destination ein Fixpunkt im Tenniskalender. Bereits zum 19. Mal findet in Prättigau die Junioren EM statt. Und so mancher Stern am internationalen Tennishimmel ist an jener Stätte aufgegangen. Carlos Moya, Robin Söderling und Anna Kournikova sind nur einige Namen, die sich in Klosters in die Siegerliste eintragen lassen durften. Aber auch aus Schweizer Sicht gab es einige Erfolge: Martina Hingis gewann 1994 Gold und Timea Bacsinszky holte 2004 Silber.
Vom grossen Durchbruch träumt auf Luca Keist. In seinem gestrigen Erstrundenspiel hat es dafür aber noch nicht gereicht. Er musste trotz couragiertem Auftritt auch den zweiten Satz knapp seinem Gegner überlassen. 5:7, 6:7 lautete das Schlussverdikt. „Ich bin zufrieden mit meinem Spiel. Dafür, dass mein Gegner ein Kopf grösser und wesentlich breiter war als ich, habe ich mich gut geschlagen. Aber trotzdem bin ich natürlich enttäuscht, dass ich verloren habe“, bilanzierte Keist nach dem Spiel.
Für den jungen Aargauer geht es nun Schlag auf Schlag weiter. Bereits nächste Woche folgt die Swiss Junior Trophy in Oberentfelden, danach ein weiteres Turnier in Luxemburg. Dann sind die Sommerferien vorbei und für den 17-Jährigen steht wieder die Schule im Zentrum. Vorerst: Denn Luca Keist hat in den letzten Wochen bewiesen, dass er bereit ist für höhere Aufgaben.
Text und Bilder von Fabio Baranzini
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