Novak Djokovics kleiner Bruder Djordje kämpft diese Woche an der Swiss Junior Trophy in Oberentfelden um Punkte für die Juniorenweltrangliste.
«Sehr geehrter Herr Blatter. Wir bitten Sie höflich, die
Möglichkeit in Betracht zu ziehen, Djordje Djokovic eine Wildcard für das
Hauptfeld zu erteilen. [...] Freundliche Grüsse, Novak Djokovic Family
Sport», stand da geschrieben.
Die Nachricht des Unternehmens, das von Novak Djokovics
Familie 2005 gegründet wurde, fand am 11. Januar den Weg in den elektronischen
Posteingang von Freddy Blatter. Der Organisator des internationalen Juniorenturniers
«Swiss Junior Trophy» im aargauischen Oberentfelden freut sich über das
Interesse der Djokovics an seinem Turnier. «Einen solchen Spieler im Tableau zu
haben, ist immer interessant», meint Blatter, der sich nach Erhalt der E-Mail
beim Schweizerischen Tennisverband erfolgreich für Djordje Djokovic einsetzte.
Der kleine Bruder des frisch gekürten Weltsportler des Jahres 2011, der
aufgrund seiner Klassierung in der Juniorenweltrangliste (Rang 1210) in Oberentfelden
nicht im Hauptfeld hätte antreten können, erhielt eine Wildcard von Swiss Tennis.
Verblüffende
Ähnlichkeit
Am Sonntagabend traf der junge Serbe in Oberentfelden ein.
«Gleich nach seiner Ankunft beschwerte er sich, dass das Essen zu teuer sei und
dass er sein Match in der Halle B und nicht in der Halle A bestreiten müsse»,
erzählt Blatter. «Doch wir machen keine Ausnahme, auch er muss sich an unsere
Regeln halten.»
Hat der 16-jährige Djordje Djokovic etwa schon Starallüren?
Es macht den Anschein, denn auch eine halbe Stunde nach dem vereinbarten
Interviewtermin, fehlt von ihm jede Spur. Kurze Zeit später erscheint er doch
noch. Der junge Serbe trägt einen schwarzen Trainingsanzug, dasselbe Modell,
das Novak Djokovic bei der Siegerehrung der Australian Open getragen hat. Auch
sonst ist die Ähnlichkeit mit seinem älteren Bruder nicht von der Hand zu
weisen. «Er ist auch auf dem Platz ein Ebenbild von Novak. Die Backhand und
seine Art, sich zu bewegen sind praktisch identisch», findet Blatter, der Djordje
Djokovic genau beobachtet hat.
Vorbild Agassi
Im Gespräch zeigt sich das Nachwuchstalent von einer anderen
Seite, keine Spur von Starallüren und Extrawünschen. Nachdem er sich mehrmals
für seine Verspätung entschuldigt hat, gibt er breitwillig Auskunft und wirkt
dabei zurückhaltend, fast ein wenig schüchtern.
«Ich will keine Sonderbehandlung, nur weil ich Djokovic
heisse», betont er. Mittlerweile hat sich Djordje Djokovic daran gewöhnt, dass
er oft wegen seines Bruders angesprochen und mit ihm verglichen wird. «Es ist
schön bekannt zu sein, doch ich verspüre deswegen auch zusätzlichen Druck.
Jeder Gegner ist besonders motiviert, weil er unbedingt gegen einen Djokovic
gewinnen will», erzählt der 16-Jährige, dessen Spitzname «Djole» nahezu identisch
klingt wie der seines älteren Bruders «Nole».
Zu Novak hat Djordje Djokovic ein gutes Verhältnis. «Er ist
nicht nur ein super Sportler, sondern auch ein toller Mensch. Wir schreiben und
telefonieren oft miteinander, denn wir sehen uns nur etwa zwei Monate im Jahr»,
erzählt er. Dennoch wiederholt «Djole» mehrmals, dass er jetzt seine eigene
Karriere aufbauen will, damit er nicht ständig in einem Atemzug mit Novak
genannt wird. «Die Leute sollen sagen ‹Schaut, da spielt Djordje Djokovic› und
nicht ‹Hey da drüben ist der kleine Bruder von Novak›», wünscht sich der junge
Serbe. Zu diesem Ablösungsprozess passt die Antwort auf die Frage nach seinem
Idol. «Andre Agassi», sagt er ohne zu zögern. «Sein Grundlinienspiel und seine
Einstellung imponieren mir.»
Top 70 als Saisonziel
Seit Djordje Djokovic elf Jahre alt ist, spielt er
regelmässig Turniere im Ausland. Deswegen kann er auch nicht regulär zur Schule
gehen. Er bringt sich den Stoff selber bei und absolviert alle zwei, drei
Monate Prüfungen in seiner Heimatstadt Belgrad. Dadurch wurde der 16-Jährige,
der in seiner Freizeit gern Golf spielt und sich mit Freunden trifft,
disziplinierter. Diese Eigenschaft kommt ihm im Tennis zugute. «Früher habe ich
einfach gespielt, ohne viel zu überlegen», sagt er. Doch dann haben ihn mehrere
Verletzungen zweieinhalb Jahre ausser Gefecht gesetzt und er musste umdenken.
«Jetzt höre ich besser auf meinen Körper. Ich trainiere härter und seriöser als
zuvor. Ich will einmal die Weltnummer eins werden», sagt Djordje Djokovic.
Doch der Serbe hat bereits in dieser Saison Grosses vor: Er
will bis Ende Jahr zu den besten 70 Junioren der Welt gehören. Einen kleinen
Schritt auf dem Weg dazu macht Djordje Djokovic diese Woche in Oberentfelden.
Obwohl er gestern in der zweiten Einzelrunde gegen den Schweizer Daniel Valent
chancenlos blieb und auch im Doppel an der Seite des Slowenen Janezic den
Kürzeren zog, wird er in der Juniorenweltrangliste rund 150 Plätze gutmachen.
Bild und Text von Fabio Baranzini