Die 17-jährige Reinacherin Mateja Kraljevic beendet
überraschend ihre Spitzensportkarriere und geht zurück in die Schule.
«Die Entscheidung kommt vielleicht ein wenig überraschend,
aber ich selbst bin seit etwa einem halben Jahr hin- und hergerissen», erklärt
Mateja Kraljevic, nachdem sie ihren Rücktritt bekannt gegeben hat. Nach
Niederlagen habe sie oft gedacht, es hätte keinen Sinn weiterzuspielen, doch andererseits
bereite ihr das Tennis spielen nach wie vor grosse Freude. «Ich könnte zehn
Stunden am Tag auf dem Platz stehen und ich hätte immer noch Spass daran. Doch
was bringt mir das, wenn ich merke, dass im Match der nötige Biss fehlt?»,
fragt Kraljevic rhetorisch. Die Zweifel waren nicht der einzige Grund für ihren
Entschluss. «Ich bin ein Mensch, der Sicherheit braucht. Bevor ich die Matura
in der Tasche habe, kann ich im Kopf nicht loslassen», sagt die 17- Jährige.
Wenn sie mit 30 ihre Tennislaufbahn beenden würde, wolle sie nicht mit leeren
Händen dastehen.
Zu hohe Erwartungen
Lange Zeit galt Mateja Kraljevic als eines der grössten
Talente der Schweizer Tennisszene und trainierte unter der Leitung von Freddy
Blat- ter im Tennis Center Aarau West in Oberentfelden. Im Alter von 15 Jahren
war die junge Tennisspielerin bereits die Nummer 12 der Schweiz, gehörte zu den
180 besten Juniorinnen der Welt und hatte sich in jeder Juniorenkategorie den
Schweizer-Meister-Titel gesichert – das hatte seit Martina Hingis in den
90er-Jahren niemand mehr geschafft. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis
Kraljevic den Durchbruch schaffen und auf den grössten Tennisbühnen der Welt
für Furore sorgen würde. Doch es kam alles anders.
Im Sommer 2009 folgte der Wechsel ins nationale
Leistungszentrum von Swiss Tennis in Biel. Sie konnte ihre eigenen, hohen
Erwartungen nicht erfüllen, die erhofften Resultate blieben aus. Als es im
vergangenen Sommer endlich bergauf ging, machte ihr eine Entzündung im Rücken
einen Strich durch die Rechnung. Kraljevic fiel für mehrere Monate aus.
In diesem Frühjahr wollte sie ihre Karriere neu lancieren
und bei den Profis Fuss fassen, doch der Erfolg liess weiter auf sich warten.
Einsamer Höhepunkt blieb der Sieg gegen Dalila Jakupovic (WTA 368) beim
ITF-Turnier von Fällanden im März. Ihr letzter Auftritt erfolgte in der vergangenen
Woche bei den U18-Junioren-Europameisterschaften in Klosters. Kraljevic
unterlag in der ersten Runde der Deutschen Julia Kimmelmann deutlich mit 2:6,
0:6.
Zu jenem Zeitpunkt wusste noch niemand von Mateja Kraljevics
Rücktrittsplänen. Wer jetzt aber denkt, Kraljevic sei verbittert oder wütend,
dass sie ihren grossen Traum nicht verwirklichen konnte, sieht sich getäuscht.
«Ich bereue überhaupt nichts – im Gegenteil. Ich habe einen reich gefüllten
Rucksack mit Erfahrungen, die andere in meinem Alter nicht haben», sagt sie.
Ein Erlebnis wird Kraljevic in ganz besonderer Erinnerung bleiben. «Der Einsatz
im Fed Cup gegen Australien war super.» Die 17-Jährige gewann dort bei ihrem
ersten Einsatz auf der höchsten Stufe gegen die damalige Weltnummer 146 Jessica
Moore in drei Sätzen. Sie ist ausserdem überzeugt, dass sie sich dank ihrem
Aufenthalt in Biel auch persönlich weiterentwickelt hat. «Ich wurde offener und
reifer. Dafür möchte ich Swiss Tennis danken.»
Hintertürchen offen
gelassen
Ab September wird Kraljevic an der Kantonsschule Beromünster
die Schulbank drücken. «Ich habe meine Priorität jetzt klar auf die Schule gelegt.
Das Tennis ist zweitrangig», sagt sie. Bedeutet das, dass Kraljevic das
Tennisracket nun ganz an den Nagel hängen wird? «Nein, nein, wenn ich mich in
der Schule eingelebt habe, würde ich mega gern wieder Tennis spielen, einfach
viel weniger.»
Den Traum «Tennisprofi» hat die Aargauerin noch nicht ganz
aufgegeben. «Ich werde sehen, ob ich das Tennis vermisse. Wenn dies der Fall
sein sollte, werde ich nach der Matura sicher wieder bissiger sein und es noch
einmal versuchen.» Wer weiss, vielleicht schafft es Mateja Kraljevic, mit einer
Comebackmeldung erneut für eine Überraschung zu sorgen.
von Fabio Baranzini