Namhafte Exponenten aus der Fussball- und Tennisszene diskutierten über das Thema Nachwuchsförderung und stiessen dabei auf viele Parallelen
„Ich bin mir sicher, dass wir in den jüngeren Nachwuchskategorien viele talentierte Spieler verlieren, weil sie körperlich noch nicht so weit entwickelt sind wie andere und deshalb nicht gleich gefördert werden.“ Das sagte der 75-fache Nationalspieler und heutige U18-Trainer des FC Basel Raphael Wicky anlässlich einer Podiumsdiskussion zum Thema Nachwuchsförderung.
Der „Ball-Abend“, zu dem Freddy Blatter, Inhaber der Tennisschule Aarau West, eingeladen hatte, wurde von SRF-Sportmoderator Bernhard Schär geleitet. Gemeinsam mit seinen Gästen - neben Wicky waren dies Raphael Kern (Verantwortlicher Kinderfussball beim SFV), Alexis Bernhard (Verantwortlicher Kindersport Swiss Tennis) und Marc Schneider (Sportlehrer und Teilhaber NRGTennis) – diskutierte er über die Nachwuchsförderung in den beiden Ballsportarten Tennis und Fussball.
Spass steht an erster Stelle
Im Lauf des Gesprächs zeigte sich schnell, dass die Vertreter der beiden Sportarten in Sachen Nachwuchsförderung auf einer Wellenlänge sind. Das ist nicht selbstverständlich, haben der Teamsport Fussball und der klassische Einzelsport Tennis auf den ersten Blick doch recht wenig gemeinsam. „Niederlagen dürfen bei den Jüngsten keine Konsequenzen haben. Alle sollen gleich viel spielen können, ganz ohne Druck“, sagte Raphael Kern. Dem pflichtete Alexis Bernhard bei. „Genau aus diesem Grund gibt es bei uns in der Kategorie U10 keine Schweizer Meisterschaften mehr. Der Wettkampf soll in diesem Alter noch nicht im Vordergrund stehen“, so der ehemalige Trainer von Roger Federer. Dafür aber sollen die spielerischen Elemente im Zentrum stehen. „Das Training muss kindergerecht sein. Es soll die Emotionen wecken, denn die Kinder sollen in erster Linie Spass haben und sich bewegen“, meinte Marc Schneider.
Kein Druck der Eltern
Trotzdem beginnt im Fussball und im Tennis bereits früh die gezielte Förderung von Talenten. In beiden Sportarten ist es etwa ab dem 11. Altersjahr der Fall. Alle Vertreter sind sich jedoch einig, dass die jungen Sportler über einen längeren Zeitraum beobachtet werden müssen, damit das von Raphael Wicky eingangs erwähnte Szenario verhindert werden kann. „Es darf nicht sein, dass die körperliche Entwicklung das ausschlaggebende Kriterium ist, denn alle Kinder entwickeln sich unterschiedlich schnell“, so Wicky. Bernhard plädiert daher dafür, die Kinder erst etwa ab dem 14. Altersjahr gezielt zu fördern. „Wenn die Kinder zu früh gefördert werden, ist das meist nur kurzfristig gedacht. Auch wenn es in einzelnen Fällen zum Erfolg führt – alle Kinder, die verheizt wurden und deswegen aufgehört haben, sind in den Statistiken nicht zu finden.“
Dies war auch als Aufruf an die Eltern zu verstehen, ihre Kinder nicht unter Druck zu setzen. Nicht zuletzt deshalb fand Kern: „Wir empfehlen, dass die Eltern etwa sechs Meter vom Spielfeldrand entfernt zuschauen sollen. Räumliche Distanz schafft auch emotionale Distanz und die ist wichtig.“
Text und Bild von Fabio Baranzini